Der gute, alte Helbling – immer wieder neu
Famos und furios an der Vernissage in der Brugger Galerie Zimmermannhaus
(rb) – Er wird Ende nächsten Monats 90 Jahre alt, der Brugger Kunstmaler Willi Helbling. Hohe Zeit, dass die städtische Galerie dem anerkannten Mann eine Ausstellung widmet – nachdem er zum 85. auf dem Bözberg im dortigen Museum eine von seinen Fans viel beachtete Plattform fand. Vorher und damals wie heute erstaunlich: Die Schöpfungs- und Schaffenskraft, die Helblings Werken und seinem äußerst wachen Geist innewohnt.
Gross war die Zahl der zu seiner Vernissage letzten Freitag erschienenen Freunde und Kunstinteressierten. Nur wer unhöflich früh kam, konnte seine älteren und neueren Bilder wirklich in aller Ruhe betrachten. Er aber genoss, betreut von seinen drei Söhnen Arnold, Samuel und Lorenz (alle künstlerisch tätig in New York, Kanada und Shanghai), das Wiedersehen mit all den vielen alten Bekannten, begleitete jeden Gruß mit einer präsenten Erinnerung. Das Bild rechts zeigt die neueste Entwicklung des bildenden Künstlers: jeder Pinselstrich sitzt, jede Farbschichtung hat ihren richtigen Ort gefunden. Ein in seiner Frische leuchtender, blühender Baum, gemalt 2009!
Nachdem Stadträtin Andrea Metzler die Brugger Grüsse übermittelt und Geschenk sowie Blumen deponiert hatte, sprach Peter Richner, Brugg, als Befreundeter über den Kunstmaler und schilderte sein Leben. Auf dieses will Regional zum Geburtstag eingehen – hier geht es jetzt um seine Kunst.
Eine «ewige» Auseinandersetzung mit Formen und Farben Die Ausstellung, die mehrere Jahrzehnte seines gut 70 Jahre andauernden künstlerischen Schaffens abdeckt, zeigt: Willi Helbling hinterlässt viele Spuren und zieht immer noch neue! Der Kunstmaler mit dem Flair für Gestalterisches schafft weiter – und bleibt erfrischend jung dabei. Wie sonst wären ihm in den letzten Jahren noch hochformatige Bilder vom Aare- weg mit spielerisch hingeworfenen Figuren gelungen (die farbigen Plastikregenschirme hat er natürlich nicht übersehen). Und wer das gesamte hier gezeigte Werk überschaut, stellt fest, dass sich Ähnliches wiederholt, sich aber auch viel Neues ergibt. Die Malve (siehe 1. Seite), Blumen, die berühmten Katzen und Gänse, aber auch Personen (er kennt sie alle mit Namen!) zeugen davon.
Handwerklich versiert und von der Muse inspiriert.
Sein exklusives Atelier extra muros von Brugg, an der Aarauerstrasse, 1954 gezeichnet von Ernst Strasser, wurde mit einem Wohnhaus ergänzt, damit Frau und Kinder auch Platz fanden. Er wohnt heute umsorgt im Süssbach- Heim und benützt nur noch das Atelier. Helbling, er beherrscht Sgrafitto, Natur- stein- und Majolikamosaik, Holzschnitt, Glas- und Wandmalerei, trat früh bei öffentlichen Bauten verschiedentlich in Erscheinung. So im Schulhaus Unterbözberg, im Centro in Lauffohr, im Gewerbeschulhaus Annerstrasse, mit Schriftzügen beim Roten Bären – im Verlaufe eines rund siebzigjährigen Schaffensweges war sich der gelernte Grafiker Willi Helbling nie zu schade, sich auch mit Werbegrafik, Vereinsfahnen, Theaterkulissen und anderem Einträglichen auseinanderzusetzen.
Nicht zuletzt auch liegt ihm nach wie vor Humorvolles. Sein Schalk brach bei manch katholischer Fasnacht im Roten Haus (das waren noch wirkliche Maskenbälle!) durch. Da wurden politische Köpfe modelliert und ins Szene gebracht (auch der Schreibende ist glücklicher Besitzer einer solchen Maske. Er wurde an der Fasnacht 1976 als Redaktor am alten Brugger Tagblatt im Umzug mit Franz Rüegg unter der Larve tüchtig durch den Kakau gezogen).
Willi Helbling wird am 31. Oktober 2010 90 Jahre alt. Noch immer geht es ihm um die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur (Peter Richner). Er genießt weiterhin kleine Spaziergänge und Gespräche mit Freunden, Bekannten und Passanten. Ein Besuch der Ausstellung im Zimmermannhaus lohnt sich!
Die Ausstellung dauert noch bis 16. Oktober und ist Mittwoch bis Freitag von 14.30 – 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet.
Rolf Belart Regional 30.9.2010 No 39
Dem Kunstmaler Willi Helbling, Brugg, zum 90. Geburtstag
(rb) – Schon an der Vernissage Mitte September sah man «den guten, alten Helbling» in bester geistiger Frische. Heute, bei einem Besuch in der Cafeteria am Süssbach, meinte er: «Oben bin ich wirklich noch gut beeinander, aber mit den Beinen habe ich etwas Mühe». Und: «Gott- seidank gibt es den Rollator, der ermöglicht mir einen weiterhin akzeptablen Aktionsradius». Es ging im Gespräch natürlich auch um Befindlichkeiten des Kunstmalers Willi Helbling, der am Sonntag, 31. Oktober, im Kreise der Familien seiner drei Söhne seinen 90. Geburtstag feiern kann. Auch am 31. Oktober 1920 war ein Sonntag. «Der Helbling», wie er sich selber gerne schalkhaft nennt, ist also ein Sonntagskind – aber beileibe kein Sonntagsmaler!
«Man wird geboren – und dann geht es weiter», lachte Willi Helbling, als wir über sein Leben sprachen. Er wuchs als Sohn eines Bähnlers mit drei Geschwistern auf. Einer wurde Priester, der andere Käser und die Schwester Wirtin; alle also «was Rechtes». Er wollte schon früh keinesfalls ein «Fahrplanleben». Nur Künstler ging allerdings nicht. Also besuchte er die Kunstgewerbeschule Zürich und wurde Grafiker. Während der Ausbildung arbeitete er an der Schweizerischen Landesausstellung unter Heinrich Danioth und Otto Kälin als Panoramen-Maler. Nach der Ausbildung beschäftigt er sich mit verschiedenen grafischen Arbeiten: Signete, Plakate, Theaterkulissen, Schaufensterdekorationen. Er zeichnet viel und übt sich in Sgraffito, Naturstein und Majolika- Mosaik, Holzschnitt, Wand- und Glasmalerei. Was man später als «Kunst am Bau» bezeichnete, wurde für ihn zu einem breitgestreuten, interessan- ten Lebenswerk.
Ernst Strasser, Förderer und Freund
1954 bezog Willi Helbling sein Atelier an der Aarauerstrasse, das ihm Ernst Strasser, damals Chef von Kistler & Strasser, baute. Im gleichen Jahr heiratete er. «Ernst Strasser war mir ein Gönner und Freund. Ein feiner Mensch, von vielen, die ihn nur oberflächlich kannten, als zurückhaltend, arrogant bezeichnet, was er nicht war», so Helbling. «Ich habe damals als Künstler ‘geschafft’ und auch davon gelebt, die Familie ernährt. Wir hatten drei Buben – alle tiptop herausgekommen. Ernst Strasser ist beim Atelierbau meinem Anliegen gefolgt, keine Stützen einzubauen. Ich befasste mich mit Mosaiken und Glasmalerei; da brauchte es hohe Wände, um die Stücke zu fixieren. Das Haus, ich hatte ja kaum Geld am Anfang, habe ich abbezahlt – und Ernst Strasser schickte manchmal seine Revisoren zu mir, auf dass sie sich hier ein Bild aussuchen sollten. Auch fuhren wir zusammen ins Bündnerland und anderswo hin, wo seine Firma Spinnereien baute. Da gab es sakrale Räume, die ich gestalten konnte».
«Wenn’s da ist, loslassen!»
Nachdem Willi Helbling Erfolg mit Mosaiken, Glasmalereien und auch an seinen Bilderausstellungen gehabt hatte, wurden ihm im Alter diese Arbeiten mit Steinen und Gläsern und am Gerüst für Sgraffito zu beschwerlich. So kam er wieder vermehrt aufs Malen. Seine legendären Gänse «wiederholte» er nicht. Er entwickelte quasi ein neues Auge: «Ich spazierte immer gerne an der Aare, malte und zeichnete auch dort. Da gab es viele freundliche Damen, die ihre Hunde Gassi führten und je nach Witterung farbige Plastikschirme trugen. Das fand ich lustig. Ich schaute mir das an, ging ins Atelier und malte es, spontan und sofort, weil, wenn es da ist, muss man es loslassen, drauflos malen – dann kommt’s gut».
Er hat sich seine Lebensfrische erhalten, ist nach wie vor gesellig, malt seltener, aber hat nach wie vor viele Kontakte: «Ich bin keiner, der gerne alleine ist, ich will mich austauschen, mich reiben, mich amüsieren können», hält er fest, sich an manches Fest, an schöne Maskenbälle erinnernd (an denen seine Masken Furore machten!). Für ihn hat die Aare, an der er viel Zeit verbrachte, immer eine große Rolle gespielt. Sie besucht er noch – mit Freunden und dem Rollator. Er erinnert sich an Maler Otto Mühlethaler, an viele andere, freut sich jetzt aber auf den Sonntag, wenn es Zeit zum Feiern ist. Wir sprechen noch über Kunst («Es gibt heute so viele “Kunstmaler”»), über Beziehungen («Ich kann nicht mehr gut schreiben, deshalb schicke ich meiner Freundin kleine Illustrationen»).
Die Aktivierungstherapeutin kommt. Für «den Helbling»? Nein! Er wird demonstrieren, wie man richtiges Kleisterpapier macht. Mit Isländisch Moos, das zu einer Masse zusammengekocht wird und in einer Kuchenform stabil bleibt. In diesen Kleister gibt man vor- bereitete, mit Terpentin verdünnte Ölfarben, die man mit Stricknadeln, Kämmen, Fingern verteilt. Und dann kommt ein Papier drauf, das nur die Farben übernimmt. Getrocknet, kann man damit wunderschöne Bucheinbände machen. Sagt «der Helbling» und macht sich auf den Weg. Dass dieser nicht beschwerlich werde und dass Willi Helbling noch lange die Früchte seiner Arbeit genießen kann, das wünschen ihm alle seine Freunde und Bewunderer.
Rolf Belart Reginal 28.10.2010 No 43
«Der Helbling» ist nicht mehr
Begnadeter Brugger Kunstmaler verstorben
(rb) – Im Alter von 94 Jahren – am 31. Oktober wäre er 95 geworden – ist der Brugger Kunstmaler Willi Helbling im Pflegezentrum Süssbach friedlich gestorben. Er, der sich stets gerne schalkhaft als «Der Helbling» bezeichnete, hat in den Jahrzehnten seines Wirkens als Kunstmaler ein bedeutendes Werk geschaffen. Noch vor seinem Neunzigsten zeigte er dem Schreibenden neuere Werke aus dem Raum des alten Aarelaufs – Laubkronen, auch Damen mit farbigen Regenschirmen. Als Sohn eines Bähnlers mit drei Geschwistern aufgewachsen, wollte er schon früh keinesfalls ein «Fahrplanleben». Aber einfach so Künstler ging auch nicht. So wurde er nach seinen Studien an der Kunstgewerbeschule Zürich Grafiker. Unzählige Signete, Plakate, Theaterkulissen und Schaufensterdekorationen schuf er. Er zeichnete auch viel, übte sich in der Sgrafitto-Technik, mit Naturstein- und Majolikamosaiken, wandte sich dem Holzschnitt zu und erlangte große Fertigkeit in der Wand- und Glasmalerei. Das, was später als «Kunst am Bau» bezeichnet wurde, entwickelte sich für ihn zu einem interessanten Lebenswerk. Stets nannte er als Förderer und Freund Ernst Strasser, den Chef des damaligen Baugeschäfts «Kistler & Strasser». Dieser baute ihm nach seinen Wünschen 1954 das Familienhaus mit Atelier an der Aarauerstrasse, das heute noch von der Familie eines seiner Söhne genutzt wird. Wichtig war ihm, dass seiner Arbeit Früchte die Familie mit drei Buben ernährte. Furore hatte er als Maler mit Bildern von Gänsen gemacht. Später, nach einer intensiven Zeit mit großen Mosaiken und Glasfenstern für Kirchen, nahm er das Malen wieder auf. Allerdings ließ er die Gänse zurück, befasste sich mit abstrakten Themen, erreichte ein interessiertes, begeistertes und auch in seine Kunst investierendes Publikum an Ausstellungen und in privaten Kontakten. Die Intensität dieser späteren Bilder ergreift. Sie zeigt seine Lebensart auf. Er meinte «Ich bin keiner, der gerne alleine ist, ich will mich austauschen, mich reiben, mich amüsieren können.» «Alter schützt vor Können nicht» lautete ein Titel für eine seiner Ausstellungen in der Galerie Zimmermannhaus in Brugg. Als humorvoller, selten um einen lustigen Spruch verlegener Mensch, der mich seiner Menschlichkeit und seines Könnens wegen so faszinierte, wird mir Willi Helbling in Erinnerung bleiben.
Rolf Belart Regionla vom 20.08.2015 No 34