Ueber das Majolika-Mosaik „Entwicklung“ von Willi Helbling am Nordeingang des Gewerbeschulhauses Brugg:
Ich möchte sagen, daß auch dies genau so wie die Sgraffiti von Ilse Weber und Otto Kälin, die Skulptur von Peter Hächler und der Villnachern-Brunnen von Franz Pabst zum Besten gehört, was ich auf den Bezirkskunstfahrten getroffen habe.
Helbling stand vor dem Problem, den sehr langen Fries über der in neun große Glasscheiben eingeteilten Eingangspartie zu gestalten. Geschickt setzte er über die Türe ein angeschnittenes Rad, Zeichen der Drehung, der Bewegung überhaupt. Rechts dieser runden Form folgen beige Rechtecke mit blaugrauen Schlitzen, Zeichen für Häuserkuben. Links des Rades wird mit allen Farben, die es annehmen kann, das Wasser in Wellenform stilisiert. Aus grünen Wiesen, aus Gesteinsschichten, wo sogar Edelsteine leuchten, kommt das Wasser her. Ganz links oben hängt in Blättern ein Spinngewebe, ein Zeichen für sinnvolles Verknüpfen. Die Tätigkeit des Menschen, dem die Natur Vorbild für seine Arbeit sein kann und der sich die Kräfte der Natur zunutze macht, wird augenfällig. Auf einem geraniumroten Grund sind die inhalttragenden Formen in vorwiegend kühlen Farbtönen organisiert. Durch die Vertikal-Horizontal-Komposition läuft eine leicht schwingende Bewegung, so daß das Gesamte etwas Pulsierendes erhält, etwas Lebendiges, dem Bildtitel «Entwicklung» Entsprechendes. Die nüchterne Strenge der ganzen Fassade wird gelockert, das Gebäude wirkt einladend; das farbenfrohe Mosaik charakterisiert es eigentlich als Schulhaus. Die rechte Schule vermittelt ja nicht nur irgendwelchen nützlichen Stoff, sondern bemüht sich, die Empfänglichkeit für die geheimnisvollen Zusammenhänge des Lebens zu wecken. Das Wissen um das Erforschte und um das Unerforschte der Natur und ebenso um das letzten Endes Unerklärliche der Kunst ermöglichen es dem Menschen, die Grenzen seiner eigenen Existenz zu erfahren, vielleicht sogar zu öffnen. Wenn wir von diesem Standpunkt aus auf die obigen Reiseberichte zurückschauen, so ist die Frage nach der Modernität der Kunstwerke nicht so wichtig. Nach Inhalt und Gestaltung sind sie alle der Ueberlieferung verpflichtet; sie geben einem bis heute allgemein verbindlichen Bilddenken sichtbare Form, und das ist doch wohl die wahre Aufgabe, der Sinn des Schulhausschmuckes.
Elise Guignard: Schulhausschmuck der Pro Argovia im Bezirk Brugg.
in Brugger Neujahrsblaetter 1977 Seite 86